Mitarbeiterin an einem modularen Montagearbeitsplatz in der Baugruppemontage

Industrie unter Druck: Kundenwünsche steigen, Margen sinken

Kaum ein Hersteller kann es sich leisten, mit starren Fertigungslinien auf wechselnde Marktanforderungen zu reagieren. In der Baugruppemontage erwarten Kunden Variantenvielfalt, kleine Stückzahlen und schnelle Verfügbarkeit – bei gleichbleibender Effizienz und Qualität.

Genau hier stoßen klassische Lösungen an ihre Grenzen: zu unflexibel, zu teuer. Die alte Gleichung „Standard = Effizienz, Individualisierung = Aufwand“ gilt nicht mehr – wenn die Technik stimmt.

Wie modulare Systeme den Spagat meistern

Der Schlüssel liegt in der Modularisierung: Technische Komponenten, Arbeitsplatzsysteme und Softwarelösungen werden so konzipiert, dass sie auf vordefinierten Standards basieren, aber flexibel erweitert und angepasst werden können.

Ein gutes Beispiel liefert die Baugruppemontage:
Dort lassen sich standardisierte Grundmodule – etwa ergonomische Montageplätze, halbautomatische Werkstückträger oder digitale Assistenzsysteme – mit individuellen Anforderungen wie spezifischen Prüfstationen oder Sonderfunktionen kombinieren.

Das Ergebnis:

  • kürzere Planungsphasen
  • geringerer Engineering-Aufwand
  • gleichbleibend hohe Qualität trotz Produktvariation

Die Herausforderung liegt weniger in der Technik, sondern im Denken: Unternehmen müssen sich von der Idee lösen, dass Standardisierung Stillstand bedeutet – sie ist die Basis für kontrollierte Individualisierung.

Drei Gründe, warum der vermeintliche Widerspruch längst keiner mehr ist

  • Standardisierte Module sparen Entwicklungskosten
    Durch wiederverwendbare Bausteine wird der Engineering-Prozess deutlich schlanker. Einmal entwickelte Elemente können in anderen Projekten sofort eingesetzt werden – unabhängig vom Kundenwunsch.
  • Individualisierung entsteht durch clevere Kombination
    Die Kunst liegt nicht in der Einzelfertigung, sondern in der geschickten Konfiguration vorhandener Bausteine. Dies reduziert sowohl Risiko als auch Durchlaufzeiten.
  • Der Grad der Anpassung ist steuerbar
    Unternehmen können je nach Budget und Komplexität definieren, wie viel Individualisierung tatsächlich notwendig ist – und behalten so die Kostenkontrolle.

🎙 Interview: „Standardisierung ist der Schlüssel zur schnellen Individualisierung“

Expertenstimme: Dr.-Ing. Tobias Lehner
Unabhängiger Berater für industrielle Fertigung und Automatisierungstechnik

Frage 1: Herr Dr. Lehner, warum gelten Standardisierung und Individualisierung noch immer als Gegensätze?
Weil viele denken, Individualisierung bedeute Maßanfertigung bei Null. In Wahrheit funktioniert sie heute genau andersherum: Je standardisierter die Basis, desto schneller kann ich individuelle Anforderungen umsetzen. Das gilt besonders für die Baugruppemontage, wo Variantenvielfalt zum Alltag gehört.

Frage 2: Wo sehen Sie das größte Potenzial in modularen Montagekonzepten?
Ganz klar: in der Time-to-Market. Wer modular baut, entwickelt nicht jedes Projekt neu, sondern kombiniert bestehende Komponenten. Das spart Zeit, reduziert Fehlerquellen und verbessert die Skalierbarkeit. In der Baugruppemontage wird so aus einem starren System ein anpassungsfähiges Produktionsnetzwerk.

Frage 3: Gibt es Grenzen dieser Herangehensweise?
Natürlich. Modularisierung braucht Disziplin in der Entwicklung. Wenn jede Abteilung ihr eigenes System baut, entstehen keine Standards, sondern Chaos. Es braucht eine klare Architektur – technisch und organisatorisch. Wer das ernst nimmt, hat einen echten Wettbewerbsvorteil.

Frage 4: Wie reagieren Mitarbeitende auf standardisierte Systeme?
Positiv – wenn man sie einbindet. Viele denken, Standardisierung heißt weniger Freiraum. In der Praxis erleben wir oft das Gegenteil: Weniger Komplexität im Alltag, klarere Abläufe, weniger Fehlerquellen. Das motiviert, gerade in der Baugruppemontage mit hohem manuellen Anteil.

Frage 5: Ihr Fazit in einem Satz?
Standardisierung ist kein Selbstzweck – sondern das Fundament für wirtschaftlich sinnvolle Individualisierung.

Was bedeutet das konkret für die Baugruppemontage?

Zwei Techniker prüfen eine elektromechanische Baugruppe in der Baugruppemontage an einem modularen Industriearbeitsplatz

In der Praxis ergeben sich daraus entscheidende Vorteile:

  • Arbeitsplätze lassen sich flexibel umrüsten, wenn Produktvarianten wechseln.
  • Bedienpersonal wird durch standardisierte Abläufe entlastet, während komplexe Montageschritte individuell unterstützt werden (z. B. durch visuelle Assistenzsysteme).
  • Auch die Nachverfolgbarkeit und Qualitätssicherung profitieren – da Standardkomponenten in der Regel besser dokumentiert und erprobt sind.

Praxisnahe Beispiele für modulare Lösungen in der Baugruppemontage finden sich unter https://cis.de/loesungen/baugruppenmontage/ – dort werden standardisierte Grundmodule mit individuellen Erweiterungen kombiniert.

Schneller am Markt: Warum modulare Konzepte die Time-to-Market drastisch verkürzen

Je kürzer der Zeitraum zwischen Produktidee und Serienreife, desto höher die Wettbewerbschancen. In der Baugruppemontage entscheiden modulare Systeme zunehmend darüber, wie schnell neue Varianten produktionsbereit sind – insbesondere bei stark individualisierten Produkten.

Statt Neuentwicklung jeder Station ermöglichen standardisierte Montageplätze mit flexiblen Schnittstellen eine rasche Anpassung bestehender Strukturen. Werkzeuge, Prüfstationen und Materialbereitstellung lassen sich modular ergänzen oder tauschen – ohne Eingriffe in die Gesamtlogik.

Unternehmen, die hier konsequent auf konfigurierbare Systeme setzen, reduzieren:

  • Konstruktions- und Abstimmungszeiten
  • Integrationsaufwand in bestehende Linien
  • Stillstandszeiten bei Umrüstungen

Die Folge ist messbar: kürzere Projektlaufzeiten, geringerer Kapitaleinsatz in der Anlaufphase, schnellerer Marktzugang. Wer diese Faktoren im Griff hat, bleibt nicht nur flexibler – sondern wirtschaftlich agiler als der Wettbewerb.

Wer davon profitiert – und wer nicht

Geeignet ist dieses Prinzip für alle, die…

  • komplexe Varianten fertigen
  • Wert auf hohe Reproduzierbarkeit legen
  • langfristig planen und skalieren wollen

Weniger geeignet ist es für…

  • Einmalfertiger ohne Wiederholrate
  • stark manuelle Prozesse ohne Automatisierungsbedarf
  • extrem schnell wechselnde Produktwelten ohne Planbarkeit

Entscheidend ist der strategische Blick: Unternehmen sollten sich fragen, ob ihre heutige Fertigung strukturell darauf ausgelegt ist, flexibel und gleichzeitig effizient zu sein.

Der Weg zur Umsetzung: Von der Analyse bis zur Integration

Die Einführung modular-standardisierter Systeme folgt idealerweise einem klaren Ablauf:

  • Bedarfsanalyse & Produktspektrum definieren
    Welche Produktvarianten gibt es? Welche Gemeinsamkeiten? Welche Unterschiede?
  • Standardmodule festlegen
    Welche Arbeitsplätze, Prozesse oder Werkzeuge lassen sich standardisieren?
  • Individualisierungspunkte identifizieren
    Wo braucht es Anpassungen – z. B. in Prüfabläufen, beim Materialfluss oder in der Ergonomie?
  • Technologie-Integration
    Digitale Assistenz, Anbindung an MES oder Traceability-Lösungen ergänzen den modularen Ansatz ideal.
  • Test, Rollout und Skalierung
    Pilotieren – anpassen – ausrollen. Flexibilität zeigt sich im Rollout, nicht im Konzept.

Der Denkfehler: Individualisierung muss nicht maßgeschneidert heißen

Viele Entscheider verwechseln „kundenspezifisch“ mit „von Grund auf neu“. Dabei reicht es in der Regel, bestehende Module sinnvoll zu konfigurieren.

So entstehen Lösungen, die exakt passen – ohne dass jedes Bauteil neu erfunden werden muss. In der Baugruppemontage ist das nicht nur praktikabel, sondern zunehmend unverzichtbar, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Baugruppemontage als Vorreiter modularer Denkweise

Zwei Fachkräfte diskutieren in einer Produktionshalle über digitale Fertigungsdaten zur Optimierung der Baugruppemontageprozesse

Die Baugruppemontage ist ein Paradebeispiel für den Erfolg dieses Modells:

  • hoher Variantenreichtum
  • hohe Anforderungen an Ergonomie und Prozesssicherheit
  • steigende Kundenerwartungen an Individualisierung

Gerade hier lässt sich belegen, dass Standardisierung und Individualisierung keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig verstärken – wenn sie systematisch gedacht und technisch präzise umgesetzt werden.

Klare Strukturen, flexible Lösungen

Unternehmen, die heute auf modulare und kombinierbare Systeme setzen, schaffen sich einen strukturellen Vorteil. Sie senken Kosten, verkürzen Projektzeiten und steigern gleichzeitig ihre Anpassungsfähigkeit.

Wer standardisierte Grundelemente nutzt und gezielt ergänzt, kann schneller skalieren, einfacher umrüsten und neue Anforderungen zügig in bestehende Abläufe integrieren. Das erhöht nicht nur die Effizienz, sondern auch die Investitionssicherheit.

Nicht entweder oder – sondern beides. Genau darin liegt die Stärke moderner Produktionskonzepte.

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